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Predigt, 09. April, Matthias Plattner

 Gen 19,15.-26 “Sodom und Gomorrha”

Als nun die Morgenröte aufging, drängten die Engel Lot zur Eile und sprachen: Mach dich auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht auch umkommst in der Missetat dieser Stadt.
Als er aber zögerte, ergriffen die Männer ihn und seine Frau und seine beiden Töchter bei der Hand, weil der Herr ihn verschonen wollte, und führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt wieder los.
Und als sie ihn hinausgebracht hatten, sprach der eine:
Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich, bleib auch nicht stehen in dieser ganzen Gegend.
Auf das Gebirge rette dich, damit du nicht umkommst!

Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra
und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war.
Und
Lots Frau sah hinter sich und ward zur Salzsäule.

Eine kleine Zumutung, was ich Ihnen, liebe Gemeinde,
nur eine Woche nach Ostern als Predigttext auftische!
Ich weiss!

Tauchen wir zunächst ein - in die ferne Vergangenheit der Erzväter Israels.
Abraham zieht als Wanderhirte mit seinem Verwandten Lot
und den beiden zugehörigen Grossfamilien,
allen ihren Schafen durch das wasserknappe Israel.
Abraham und Lot trennen sich wegen zuwenig Weideland,
um in verschiedenen Gegenden ihre Tiere weiden lassen zu können.
Lot kommt so in die fruchtbare Jordanebene in die Gegend von Sodom und Gomorrha.
Diese Ebene ist total grün und wüchsig wie ein Paradiesgarten,
fast wie das Nil-Land in Aegypten.
Abraham bleibt hingegen in den eher kargen Hügeln.
In Sodom nimmt Lot mit seinen Lieben eine Unterkunft.
Die Menschen in Sodom sind total heruntergekommen, verkommen,
gottlos -  und sündig.
Und Lot ist der einzig anständige und gottesfürchtige Mensch weit und breit –
Er hat sich unwissend ausgerechnet dort niedergelassen,
wo Gott bald kollektiv Verderben und tödliche Strafe über die Menschen
würde regnen lassen.
Zwei Engel bekommen eines Abends von Gott Order,
Lot und seine Familie zu warnen und schnellstmöglich aus der Stadt zu führen.
Lot glaubt den beiden umgehend, seine Familie aber meint, man scherze mit ihr.
Früh am nächsten Morgen zerren dann die Engel in höchster Eile den Lot,
dessen Frau und die zwei fast erwachsenen Töchter zur Stadt hinaus.
Was dann geschieht – tja - wir haben es vorgelesen bekommen.

Gerne möchte ich heute mit Ihnen, liebe Gemeinde
In zwei Predigt-Teilen  
über dieses seltsame göttliche Gebot
an Lot und seine Lieben,
«Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich,
bleib auch nicht stehen“

nachdenken.
Da gibt es aus meiner Sicht ein Dafür und Dawider.

Gesichert ist, dass dieser seltsame Befehl Gottes
zuletzt eine Familie und eine Ehe auseinandergerissen hat.
Lot und die beiden Töchter müssen allein weiterziehen.
Die Ehefrau und Mutter stirbt auf der Flucht.
Dass Familien auf der Flucht getrennt werden, und einzelne davon umkommen,
ist aber nichts Ungewöhnliches.
Hier schon:
Wieso hat die Frau sich bloss umgedreht, fragen wir uns.

In der Nicht-Befolgung von Gottes Auftrag durch die Ehefrau Lots
wiederholt sich eigenartig,
was bereits Genesis 2 erzählt:
Eva widersetzt sich dort Gottes Befehl,
von einem bestimmten Baum keinenfalls Früchte zu essen.
Frauen gelten damals als töricht und störrisch:

Aus heutiger Sicht völlig unverständlich.
Die Geschichte der Erzväter war und ist
eben eine echten Patriarchengeschichte:
eine Männer-Story!

«Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich,
bleib auch nicht stehen!“

ruft der Engel Lot zu.
Dieser Zuruf kann durchaus Sinn machen.
Zu allen Zeiten:
Letzte Woche hat es in den Südalpen ungeheuer viel geschneit.
Vor einer herandonnernden Lawine macht der Zuruf an einen Skifahrer
bestimmt Sinn:
Es kommt auf jede Sekunde an –
Sofort Vollgas aus der Lawinenschneise herausfahren und
Dich in Sicherheit bringen.
Sich in Sicherheit zu bringen ist absolut legitim.
Nicht zurückblicken auch, wenn jede Sekunde zählt.

Denken wir an die Schreckensbilder von vor 24 Jahren –
Menschen, die in Südasien vor dem Tsunami ins Landesinnere geflüchtet sind.
Jede Sekunde zählt.

Denken wir an die Frauen und Kinder aus der Ukraine,
die flüchtend alles haben stehen und liegen lassen
und einfach auf und davon sind –
schnell weg von den russischen Bomben!
Bloss nicht anhalten und zurückblicken.

Ein wichtiges Weiteres weiss man heute:
Weise Menschen meiden solche Bilder!
In echt sowieso - aber auch als Film und Foto.
Katastrophenbilder können Menschen beschädigen
Und deren Psyche ein Leben lang massiv beeinträchtigen.
Posttraumatische Belastungsstörungen usw. sind eine mögliche Folge,
wenn ein Mensch seinen Blick nicht von der Katastrophe abwenden konnte.
Gaffen kann lebensgefährlich sein – für den Gaffer, die Gafferin selbst.

Die zur Salzsäule erstarrte Frau zeugt davon:
Schreckensbilder von Gewalt und Tod können traumatisieren und
Menschen seelisch erstarren und einfrieren lassen:
ihr ganzes weitere Leben kein geschmeidiges Gefühlsleben mehr pflegen können.
Innerlich kaputt und ausgebrannt sein durch die schlimmen Bilder.
Das ist schrecklich – auch für deren Angehörigen.  

Das hat bei den Erzvätern die Frau von Lot persönlich erlebt.
Sie ist – gegen den Befehl der Engel –
kurz stehengeblieben, hat sich neugierig/oder auch mitleidig umgedreht –
in die brennenden zusammenstürzenden Städte Sodom und Gomorrha geblickt –
und ist dabei zur Salzsäule erstarrt.
Es soll dort in jener Gegend bis heute seltsame Steinformationen geben,
die Menschengestalten ähneln.

Ist die Frau damals gestorben,
bloss weil sie gegen den Befehl der Engel gehandelt hat –
eine Art Strafe für Ungehorsam?
Oder musste sie sterben, weil sie mitansehen wollte,
was kein Menschenauge und keine Menschenseele aushält:
Bilder nämlich einer, dieser apokalyptischen Katastrophe?

«Sieh nicht hinter dich,
bleib auch nicht stehen!“

Auch Jesus spricht mehrfach davon:
Beim Menschenfischen - Berufung seiner Jüngerschaft:
Wer mir nachfolgen will,
muss sein altes Leben – Familie und Beruf – radikal hinter sich lassen.
Laut Lukasevangelium im Zusammenhang vom kommenden Weltgericht und
Wiederkommen des Menschensohns spricht Jesus davon,
dass in diesem Moment zu spät sei, zurückzublicken,
oder noch rasch irgendetwas zu holen.
Und Matthäus weist darauf hin,
das Reich Gottes stehe nur demjenigen Bauern offen,
der mit seinen Augen strikt dem Pflug folgt –
und nicht rückwärts schaut und dann die Spur verliert.
Vorwärts schauen und vorwärts gehen!


«Sieh nicht hinter dich,
bleib auch nicht stehen!“

«Vorwärts luege und laufen!»
Ist zurecht auch das Lebensmotto vieler Menschen heute.
Was war, das ist gewesen.
Es macht keinen Sinn, am Alten festzuhalten, an Erinnerungen.
Der Mann, der seine Lebensgefährtin abrupt verloren hat.
Eine Frau, die eine schlimme Diagnose erhalten hat.
Ein Mensch, der einige Jahre im Gefängnis war.
Sieh nicht hinter dich – bleib nicht stehen!
Auch Menschen,
die beruflich gescheitert sind,
ihr KMU an die Wand gefahren haben,
verschuldet oder unverschuldet.
Leute, deren Ehe geplatzt ist,
unverschuldet oder verschuldet.
Vorwärts luege –
Neu anfangen.
Denn es stimmt ja:
Hinter jeder Ecke lauert eine Vielzahl von Chancen und neuen Möglichkeiten!
Auch ein neues Glück.


Orgelmusik


Predigt Teil 2

«Rette dein Leben und sieh nicht hinter dich,
bleib auch nicht stehen!“


Liebe Gemeinde
Man kann den Text auch andersherum lesen.
Eine Gegenposition einnehmen.
Was die Engel da von Lot und seiner Frau verlangt haben,
kann und darf auch zu Widerspruch anregen.

In einem Menschenleben ist genau das Zurückschauen wichtig.
Lernen aus eigenen Fehlern und den Fehlern anderer.
Bilanz ziehen.
Zurückblicken auch auf das viele Schöne, das ein Mensch erleben durfte.

Wer nur stur geradeaus immer weitergeht –
Seine Geschichte, seine Wurzeln verleugnet, hat keine Basis zum Wachsen.
Zukunft braucht Herkunft.
Wer nicht aus seinen Erfahrungen und Erinnerungen,
seiner Geschichte leben und lernen kann,
macht immer wieder dieselben persönlichen Fehler.
Man und frau sollen nicht davonlaufen
Und den andern die Trümmer zurücklassen.
Auch wenn es echt zum Davonlaufen ist.
Es wäre allenfalls vor Sodom gar eine Option gewesen,
eine Christenpflicht gar,
nach der Katastrophe zurückzukehren –
und in der Stadt Erste Hilfe zu leisten - an allfällig Ueberlebenden.

Geflüchtete Menschen aus der Ukraine auch bei uns
blicken zurück –
Jeden Tag sind sie gedanklich in der Heimat,
telefonieren mit ihren Lieben,
erhalten sie News und oft schlimme Bilder.
Sie können doch ihre Herkunft nicht einfach vergessen.
Auch wenn es dort fürchterlich zugeht.

Es kann nicht einfach immer nur geradeaus gehen in einem Leben.
Besonders wenn es schwierig wird.
Manchmal ist Umkehr wichtig und heilsam.
Manchmal sind auch die Umwege die Wege,
die einen Menschen echt voran bringen.
Und das hat doch was?!

Geschichtsvergessenheit ist auch in unserer Zeit ein grosses Thema.
Zukunft braucht Herkunft.

Viele Leute haben weder Ahnung von noch Interesse an der Schweizer Geschichte.
Woher denn all unser Glück, Wohlstand, Freiheit entstanden ist.
Unsere Willensnation, die seit 180 Jahren vier Sprachgruppen und Kulturen zusammenhält
Oder dass Frauen erst seit 50 Jahren ein Stimmrecht haben,
interessiert heute niemanden mehr.

Geschichtsvergessenheit überall:
Der Antisemitismus wuchert seit dem Terror des 7. Oktobers wieder
– und die Gräuel des Holocausts werden verdrängt.

Nicht zurückblicken wollen und können,
wenn es einem allzugut geht und man im Wohlstand lebt,
kann grundfalsch sein.
Nicht zurückblicken wollen und können,
wenn es einem übel ergeht und man Not leidet,
kann ebenfalls grundfalsch sein.

Was denken da wohl die vielen Menschen,
welche als Kinder Opfer von Uebergriffen durch Priester geworden sind.
Oder die Schülerinnen des Instituts Läderach?

Liebe Gemeinde
Was die Engel da von Lot und seiner Frau verlangt haben,
kann und darf durchaus auch kritisch gewürdigt werden.
Es mag in diesem Einzelfall ok gewesen sein,
darf aber nicht verallgemeinert werden.
Wer keine Herkunft hat, hat auch keine Zukunft.


Kommen wir zum Ab-Schluss:
Wir befinden uns acht Tage nach Ostern.
Lasst uns nachdenken:
Kann ein Osterfest sein
ohne vorgängiges Innehalten und Rückblick auf den Karfreitag?
Kann Osterfreude echte Freude sein –
ohne vorgängige Vergegenwärtigung des Leides und Todes Jesu?
Auf gar keinen Fall.
Zurückblicken ist total wesentlich.
Beides gehört untrennbar zusammen.
Das Eine vor das Andere.
Wie zwei Seiten derselben Münze.
Alpha und Omega,
Anfang, Mittelpunkt und Ziel unseres Glaubens in diesen drei Tagen.
Es muss zuerst gestorben werden,
um dann herrlich auferstehen zu dürfen.
Was für Jesus gilt,
gilt für uns alle, die wir die Seinen sind und sein wollen.

Amen